Projektportrait: Gut Branderhof, Aachen
Aus dem Trab in den Galopp
Gleichmäßiges Klackern von trabenden Hufen. Ein leichter Geruch von Heu, der in der Nase kitzelt. Vereinzeltes Wiehern von eleganten Vollblütern aus dem Stall zur Rechten.
So müssen Besucher*innen empfangen worden sein, die das Gehöft Branderhof vor hunderten von Jahren betreten haben.
Doch gewiehert wird hier schon lange nicht mehr. Stattdessen wird nun viel geplaudert. Keine Pferde, sondern Menschen aus der Nachbarschaft beleben das Gehöft. Das einzige was von damals blieb, sind die nostalgischen Backsteinmauern ringsherum. Wohlig einladend mit einem Charme, der nur geschichtsträchtigen Orten inne wohnt.
Dass diese alten Mauern überhaupt noch stehen, hat das Viertel vor allem sich selbst zu verdanken, insbesondere dem Verein “Gut! Branderhof e.V.”. Doch ein Verein bildet sich nicht aus dem nichts, ein Verein ist beflügelt von einem Wunsch, einer Vision oder Mission. Und in diesem Fall waren sich die Gründungsmitglieder einig. Gut Branderhof, welches jahrelang vor sich her schlief und verfiel, sollte den Titel “Gut” wieder mit Stolz und Berechtigung tragen. Es sollte etwas Gutes beinhalten und darstellen, etwas Gutes gestaltet von Nachbar*innen für Nachbar*innen. Das Kultur- und Nachbarschaftszentrum fürs umliegende Quartier!
Damit dieser Ort nicht nur erhalten blieb sondern auch sein Potential erschlossen werden konnte, gingen die Gründungsmitglieder rund um Ingeborg Haffert 2016 auf die Stadt zu. Naiv, unerfahren, voll berufstätig und mit dem Damoklesschwert “Verkauf” über Ihren Häuptern. Getrieben von einem Wunsch: Der Erhaltes des Branderhofs.
Unter unermüdlichem Einsatz verhinderte die Gruppe nicht nur den Verkauf des Grundstücks, sondern schuf eine stabile Basis und einen Fahrplan für ein erfolgversprechendes Quartiersprojekt. Mit Unterstützung des Managements “Initiative ergreifen” und in enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, hat der Projektträger erfolgreich Städtebaufördermittel beantragen können: Damit steht dem Umbau des Hofes zum Kultur- und Nachbarschaftszentrum nichts mehr im Wege.
Die Stadt freut es. Denn eine Stadt definiert sich vor allem durch ihre Bürgerinnen und Bürger, und wenn diese Initiative ergreifen und in vertrauensvolle Kooperation gehen, hat dies langfristig Bestand. Denn Mitgestaltung bedeutet zugleich Freiheit und Prävention.
Küche, Diele, Bad, Quartierswohnzimmer
Und wo kann besser zusammen gestaltet werden, als im sogenannten “Quartierswohnzimmer” des Guts. Und ge- und veranstaltet wird eine Menge. Seit dem Sommer 2016 nutzt der Verein den Hof im Testbetrieb, in welchem verschiedene Veranstaltungen und Formate ausprobiert wurden. Und das mit vielversprechendem Erfolg und guter Rückmeldung.
Alleine im Jahre 2019 lockte der Hof mit 163 Veranstaltungen. Egal ob Nachbarschaftsfeste, offene Sportgruppen, kleine Hofschulen, Lesungen, Konzerte, eine Stadtteilkonferenz, eine Bike-Kitchen, ein Repair-Cafe und mehr; die Liste ist lang und bunt. Es wird ausprobiert wo es nur geht. Diese wertvollen Erfahrungen werden in den Vollbetrieb fließen, sobald der große Umbau durch ist.
“Wenn wir eines können, dann improvisieren!”, gesteht uns Wilfried Warmbrunn, zweiter Vorsitzender und erster Ausprobierer des Vereins, lachend im Interview. Von Anfang an mit Feuereifer dabei, verschob er dafür oft genug seine Belastungsgrenzen und erweiterte den Möglichkeitsraum des Projekts. Dass das Projekt jahrelang und für jeden ersichtlich an nur einem improvisierten Strom- und Wasseranschluss hing, unterstreicht diese Tatsache.
Aber auf genau solch eine Transparenz, von Anfang gelebt, ist der Verein stolz.
Jedes Mitglied kennt den Projekt- und den Kontostand. Dies erzeugt Vertrauen bei den Ehrenamtlern. Vertrauen, welches ansteckend ist. Unaufhaltsam wächst der Verein und die 430 Mitglieder scharren bereits mit den Hufen.
“Ich habe keine Angst, dass nach Corana alles zusammenfällt. Die Leute warten eigentlich nur darauf, dass Startsignal zu bekommen.”, erzählt uns die erste Vorsitzende des Vereins Ingeborg Haffert herzlich und zugleich stolz.
Beiden kann man die Definition “mit Herzblut dabei zu sein” an ihren Gesichtern ablesen. Die Begeisterung, mit Wirkung etwas Größeres für ihr Quartier und die Nachbarschaft zu gestalten.
Dem Horizont entgegen
Und das Projekt rund um das Gehöft ist nicht nur ein kurzfristiges “auf die Beine stellen einer Restaurierung“. Auch die umliegenden Wiesen stehen zur Bebauung an. Zahlreiche Bau- und Wohngruppen haben das Ziel …, etliche davon Mitglieder des Vereins. Auch sozialer Wohnungsbau wird berücksichtigt, was die bunte Veranstaltungsliste noch farbenfroher werden lässt.
Und wer weiß, vielleicht werden die jungen Fohlen aus der Kita “Kind & Kegel” des Guts eines Tages selbst diese innige Verbindung zum Hof und zur Nachbarschaft fühlen, welche einst die Mitglieder von “Gut! Branderhof e.V.” antrieb. Auf das noch ein paar weitere hunderte Jahre dieser Hof das Viertel näher bringt.
Autor: Thomas Koj
Bilder: johannes hucke architektur, büro für schöne sachen, Aachen
Projektwebsite: https://www.gutbranderhof.de